In eigener Sache

Bereit sein ist alles

Profession versus Laienspiel: Leidenschaft im Schauspiel.

Shakespeares wohl berühmteste Tragödie „Hamlet“ (1599-1602) beinhaltet nicht nur das ikonisch dialektische Zitat: „Sein oder nicht sein“ – sondern auch eine gerade für angehende Schauspieler wichtige Lebensweisheit: „Bereit sein ist alles.“ Über den Berliner Schauspielverein „Winternachtstraum e.V.“ und schauspielerische Passionen. // Daniel Wachowiak (18.07.2017).

In einem Zeitraum von circa 7-8 Monaten, treffen sich einmal wöchentlich im „Theaterhaus Mitte“ bis zu 14 junge Menschen im Alter von 18-30 Jahren, um methodische Grundlagen nach Brecht, Stanislawski und Johnstone sowie die Kunst der Improvisation zu erlernen. Ihr Kursleiter Michael Gitter, Bühnenschauspieler und Schauspieldozent, achtet dabei genau auf eine spezielle Heterogenität innerhalb der Gruppe. Angehende Profis und Amateure etablieren dabei einen „Ensemblegeist“, der Konkurrenzgedanken (und Leistungsdruck) obsolet erscheinen lassen.

Scheitern gehört dazu!

Gegründet 2003, ist der Name des Vereins Programm. Der englische Film: „Ein Winternachtstraum“ (1995) von Kenneth Branagh, erzählt die Geschichte von erfolglosen Schauspielern bzw. Amateuren (lat. amator „Liebhaber“), die in den Proben zu einem Stück anstatt der perfekten Bühnenkunst, etwas im Vergleich dazu viel Wichtigeres demonstrieren – Menschlichkeit.

Wenn man das Leben darstellen will, muss man daran teilnehmen“ versichert Michael Gitter seinen jungen Schauspielern in den Kursen. Ferner sind es solche Parameter, wie etwa Bodenhaftigkeit, eine hohe Einsatzbereitschaft und Energie (Leidenschaft), die individuelle Sozialisation in der Gruppe und der Demut vor der Bühne, die über die grundlegenden Schauspieltechniken weit hinausgehen und im sogenannten Laienschauspiel „erfahren“ werden können.

Ein zentrales Paradigma des Kurses stellt der Begriff des „Scheiterns“ dar. Wie im realen Leben, so scheitern selbstverständlich auch die Kursteilnehmer auf den sprichwörtlichen „Brettern, die die Welt bedeuten.“ Talent allein spiegelt nach Michael Gitter dementsprechend höchstens 6-10% des Schauspielberufes wider. Vielmehr ist es aber die fortwährende Arbeit an einem selbst, Fleiß, die nötige Hingabe und die Bereitschaft, persönliche „Schwächen“ als Chancen anzuerkennen, die die eigentliche Arbeit des Schauspielers symbolisieren.

Prekäre Arbeitsbedingungen

Viele professionelle Schauspieler arbeiten freiberuflich – und sind im Durchschnitt mehr als die Hälfte des Jahres ohne eine feste Anstellung. Als Folge sind der Wegfall des Arbeitslosengeldes und die unabdingbare Altersarmut als „Schattenseiten“ dieses Berufes auszumachen. Eine Profession, die somit auch wahrlich Leiden schafft.

Ein positiver Leistungsdruck

Im Berliner Schauspielverein „Winternachtstraum“ dürfen die Schauspieler, die in der Realität oft fernab der Kunst berufliche Wege einschlagen und beispielsweise Maschinenbau studieren, einem Hobby „semiprofessionell“ (in einer Abschlussinszenierung etc.) nachgehen.

Weil sie scheitern dürfen, werden sie nicht gezwungen gut zu sein“ formuliert Michael Gitter seinen Lehranspruch – und drückt somit den positiven Grundtenor des Vereins aus.